Linoleumwerk Kohlmühle

Die Zeit für neue Abenteuer ist gekommen. Heute sollte es auf einen Aussichtsturm in der Nähe von Rathmannsdorf gehen. Dazu fuhren wir durch Bad Schandau und sind einige Straßen zu spät nach Rechts abgebogen. Das Navi meldete, alles ok. Irgendwie war es aber alles andere als OK. Wir fuhren eine 180 Grad Rechtskehre , über die Brücke eines kleinen Baches und schon begann das Abenteuer. Die Straße wurde von normaler Spurbreite halbiert. Sie war gerade mal so breit wie das Auto selber. Nach rechts ging es ein paar Meter tiefer und zur linken Seite gab es eine Begrenzung aus Fels und Bäumen. Und nun kam uns ein Bofrost Auto entgegen. Also musste es hier Einwohner geben, vielleicht kamen wir ja auf dieser Strecke zum Aussichtsturm. Aber wie kamen wir an dem Auto vorbei. Ich sah die Chance nach rechts etwas auszuweichen, setzte ein paar Meter zurück und winkte den Gegenverkehr durch. Ein Auto ging ja noch. Aber wohin führte die Straße und wie viele Autos kamen uns noch entgegen. Hm. Ausprobieren. Wir fuhren weiter.. Die Straße stieg leicht Berg an und schlängelte sich entlang einem kleinen Bach. Später fand ich heraus , es war die Sebnitz.
Nach einigen Kilometern winke ein hoher Schornstein mitten aus dem Nichts. Dann war er wieder weg. Bäume. Wo war der Schornstein? Der Weg machte eine Biegung. Eisenbahnschienen. Mitten in der Walachei, Schornstein und eine Eisenbahnstrecke. Nun war meine Neugierde geweckt. Wir fuhren an einer alten Fabrik vorbei, wunderschön aus roten Backstein gemauert mit einem herrlichen Fachwerk integriert. Und das hier? Ich konnte einen Bahnübergang ausmachen und einen Haltepunkt. Häuser sah ich bis auf 4 keine. Wikipedia schreibt, dass es hier 96 Einwohner gibt. Ich war in dem Ort Großdorf-Kohlmühle angelangt. Um die Fabrik, welche sicher schon lange stillstand gab es einen Zaun. Ich steckte mir ein Akku in die Tasche, schraubte das XF 18-55mm an meine X-H1 und wollte versuchen ein paar Perspektiven des Gebäudes einzufangen.


Ich war an der tiefsten Stelle des Sebnitz Tals angekommen. 1877 bekam der Ort schon einen Haltepunkt der später auch für die Angestellten der Industrieanlage diente. Der Haltepunkt wurde so zu einem kleinen Bahnhof und um die Industrieanlage begannen sich Menschen anzusiedeln. 1902 bekam der kleine Bahnhof den Namen: Großdorf- Kohlmühle. Später verlor der Bahnhof an Bedeutung. Heute verkehrt dort noch die Linie U28. Der Bahnhof ist so wieder Haltepunkt geworden.
Aber was ist diese Fabrik. Ich muss sagen, an diesem Tag wusste ich es nicht. Mein Handy lag im Auto, so konnte ich auch nicht Googlen, dass passierte erst viel später.
Ich stand am Haltepunkt Großdorf- Kohlmühle und sah auf das Fabrikgebäude. Natürlich machte ich ein paar Fotos. Ich ging los und versuchte von vorne noch ein paar Fotos zu schießen. Das Fabriktor war geschlossen und sehr hoch mit Übersteigschutz. Ein großes Schild kam in mein Blickfeld. Kulturfabrik-Kohlmühle. Alle anderen Angaben waren geschwärzt, inklusive der E-Mail Adresse und der Telefonnummern. Doch hinter dem Schild saß ein Mann an einem Tisch. Sollte ich ihn fragen. Gerade zu diesem Moment bereute ich, den Fotorucksack nicht aufgeschnallt zu haben. Gut. Ich frage ihn.
“ Hallo, guten Tag ich muss mal fragen, was wurde hier produziert?“ In gebrochenen deutsch antwortete er mir. „Fußbodenbelag.“
Produktionsanlagen, Rost, Patina, Lost Places, mir schwirrten viele Dinge im Kopf herum.
„Wow, kann ich ein paar Fotos von Draußen machen?“
„Ja, klar machen sie ruhig.“ Nun hatte ich ja „nur“ das 18-55mm drauf, ich kam da also nicht nah heran. Ärgerlich. Mir fiel das Schild wieder ein.
„Wie ist das gemeint, mit der Kulturfabrik?“ Vielleicht gab es ja den Schlüssel nach drinnen. Dann war es natürlich noch ärgerlicher den Fotorucksack nicht dabei zu haben, geschweige vom Verlust des Statives welches im Kofferraum schlummerte. Meine Frau fragte mich: „Soll ich das Zeug holen?“ Die Frage hätte ich zu gerne mit „Ja“ beantwortet. Aber vielleicht verschreckte ich den Mann hinterm Tor. „Nein“ klang es aus meinem Mund. Ich war selbst verwundert über diese Entscheidung. Zu dem Zeitpunkt sah ich mich schon drinnen.
„Ist nix Kulturfabrik, der Name ist nun so , ist Foto Location. Hier kommen viele Fotografen und nutzen die alte Fabrik als exklusive Foto Location.“ Der Mann kam näher und öffnete das Tor. Er meinte, für 25 Euro pro Person und Tag kann man diese Fabrik als Foto Location nutzen. Ich könne aber reinkommen und von außen etwas fotografieren. Nun war ich schon mal näher als am Zaun, sozusagen eingeladen zum Festmahl. Ich fragte: „Könnte ich nicht für die Hälfte des Preises für nur ein Stündchen mich mal im Inneren umsehen?“
Er meinte, es wäre kompliziert, mit der Versicherung , wenn mir etwas passierte. Nun, davon ging ich nicht aus. Hier musste jeder der hineinwollte eine Erklärung schriftlich abgeben, das auf eigene Gefahr zu tun und den Veranstalter somit im Schadenfall nicht zu belangen. Ein übliches Verfahren im Genre der Lost Places Fotografie. Wir füllten die Formulare aus und hatten Zeit für ein Stündchen durch die Anlagen zu stöbern. Es gab einige Deckeneinbrüche, wir sollten auch auf Löcher im Boden aufpassen, die durch entfernte Maschinen entstanden sind. Hinein.
Das Hauptgebäude bestand aus 5 Etagen und einem Dachbereich. Einer großen Maschinenhalle und einer Bandanlage. Ich begrenzte meine Tour nur auf das Hauptgebäude. Andre Gebäudeteile waren zu dunkel, hier hätte ich unbedingt ein Stativ gebraucht.
Wir kämpften Etage für Etage durch. Pasten auf die Löcher im Boden auf. Machten immer einen großen Bogen um ausgelaufene Säcke mit weißem Pulver. Es lag auch ein kunststoffartiger Geruch in der Luft. An einige Ecken glänzte es Rot an anderen Blau vom Boden her. Keine Ahnung was es war, Hauptsache, großen Bogen drum. Auch viele dauerelastische Gussstellen auf dem Boden gab es. Dabei handelte es sich sicher um Weichmacher, die für die Belag Herstellung nötig waren. Es ging immer höher. Die Gefahr blendet man aber immer aus. Das ist nicht gut. Man muss die Gefahren immer vor Augen haben. Wir waren schon fast eine 3/4 Stunde drinnen. Es gab auch nur noch eine Etage. Diese endete in einer großen Halle mit vielen Rohren. Begehbar. Nur nicht für mich. Warum? Na versucht euch diese Frage selbst zu beantworten. Auf das Dachgeschoß führte eine rostige Eisentreppe. Man käme auch da hinauf, vielleicht war es die Zeit oder der Mut der mich verlassen hatte, aber diesen Bereich würde ich erst einmal nicht zu Gesicht bekommen.
Wir stiegen die Treppen hinunter und verließen den Bau. Wir wollten uns noch abmelden aber es war keiner mehr da. Wir schrieben einen Zettel und bedankten uns auf schriftlichen Weg.
Das war eines meiner Urlaubshöhepunkte. Mit nichts hätte ich hier ein Lost Places erwartet und schon gar nicht in dieser Dimension. So war das Thema Aussichtsturm dann auch erst einmal abgehakt.
Doch wo war ich? Was war das für eine Anlage, in die ich meine Nase reingesteckt hatte? Das Werk wurde als Industriefabrik für Papier-und Pappenherstellung 1902 eröffnet. Ab 1906 übernahm die Eduard Keffel AG Tannenbergsthal die Werksanlagen mit der Produktion von Kunstleder und Wachstuch. Auf Grund des zweiten Weltkrieges wurde auf Kriegsproduktion für die Junkers Werke/Dessau umgestellt. 1945 wurden die Anlagen als Kriegs Reparationsausgleich in die Sowjetunion abtransportiert. 1948 ging das Werk in Volkseigentum über. 1952 erhielt es den Namen VEB Linoleumwerk Kohlmühle. Bis zu den 60ern wurde das Werk zu großen Teilen mit westdeutschem Knowhow modernisiert. Es wurden hochwertige Fußbodenbeläge produziert. Ab 1967 wurden dann auf PVC-Beläge umgestellt. Nach der Wende nannte man das Werk um in Likolit Linoleumwerk Kohlmühle GmbH. 2013 war dann fast alles vorbei. Das Werk ging in Insolvenz. Im Zuge des Umbaus und der Sanierung kam es 2015 zu einer Havarie. Es traten Weichmacher in das Flüsschen Sebnitz aus. Im Zuge sicherheitstechnischer Kontrollen fand man einige leere Behälter mit radioaktiver Symbolik im Werk, welches mit Sicherheit für technische Messverfahren in dem Likolit Werk benötigt wurden.

Linoleumwerk Kohlmühle

Heilstätten Beelitz – Männersanatorium

Ein Ort des Grauens. Ein Ort der Fantasie. Beelitz Heilstätten. Schon viel wurde über diese Stätte geschrieben und fotografiert. Aber all das kann die eigenen Erlebnisse nicht ersetzen. Oft vertrete ich die Meinung, man muss es gesehen haben. Aber nie war der Eindruck so stark wie hier in den Heilstätten Beelitz. Was ich hier zu sehen bekam löste alle meine bisherigen Eindrücke über diese Location auf. Um die Jahrhundertwende errichtet, diente es damals dem deutschen Gesundheitswesen zur Verhinderung einer Tuberkulose Epidemie. Als schon Tausende deutsche Arbeiter dieser Krankheit verfallen waren, hatte man sich 1898 zum Bau entschlossen. Es sollten 60 Gebäude auf einer Fläche von 200 ha entstehen.

Zum ersten Weltkrieg weilten in diesen Stätten über Zehntausender deutscher Frontsoldaten unter denen sich auch vom 9.10.- 4.12.1916 der Gefreite Adolf Hitler sich befand (lt. Quelle: Wikipedia)

Im Krieg wurde die Anlage stark beschädigt und nach dem Sieg der Roten Armee, wurde Beelitz das größte Militärhospital außerhalb der Sowjetunion. Dieses existierte bis 1994. 1990 wurde auch Erich Honecker in dort behandelt, bevor er sich nach Moskau absetzte.

Seit dem Abzug der Russen stehen große Teile der Gebäude leer und sind dem Verfall preisgegeben. Einige Gebäude wurden saniert. Der größte Teil aber wartet auf eine Verwendung oder dem sicheren Tod.

Nun muss ich gestehen, dass ich mich vor diesem Fotoshooting nicht so sehr mit der Location beschäftigt habe. Das war mein erster Fehler. Den zweiten beging ich, als dann das Fotoshooting losging. Dazu aber später.

Das Fotoshooting Heilstätten Beelitz, Männersanatorium wurde vom Veranstalter go2know organisiert und durchgeführt. Für 40 Euro war man mit von der Partie. Die Jungs von go2know hatten alles hervorragend vorbereitet. Es gab sogar detaillierte Grundrisse, die für reibungslose Navigation sorgen sollten. Und genau hier beging ich den zweiten und schwersten Fehler. Ich sah mir die Grundrisse zwar an, aber das navigieren überließ ich meiner Neugier.

Am Fotoshooting nahmen ca. 15 interessierte Fotografen teil. Man trennte sich in drei Gruppen, schließlich gab es auch drei Gebäude, so sollte man sich nicht in die Quere kommen. Das funktionierte auch wunderbar. Nur zerfiel unsere Gruppe recht schnell, so war ich nach einer Stunde nur noch alleine unterwegs. Wie gesagt, ich ließ mich nur noch vom Gefühl leiten, um die Stimmungen des Gebäudes einzufangen. Nun muss das nicht unbedingt ein Fehler sein, im Nachhinein, beim Bearbeiten der Fotos habe ich festgestellt, dass keine Zuordnung zu den im Grundriss benannten Räumen mehr möglich ist. Das ist schade, darum nenne ich diese Situation meinen größten Fehler des Tages. Diese Foto Tour werde ich sicher noch einmal buchen, dann aber gehe ich anders an das Fotografieren heran.

Nachdem ich nun so mutterseelenallein in dem großen Objekt unterwegs war, hatte man auch wunderbar Zeit zu sinnieren. Ich versuchte mir vorzustellen was in der einen oder anderen Abteilung geschah. Sicher gab es hier viele Schicksale zu beklagen, die mit dem Tod endeten. Ob damals als Lungenheilstätte oder später im vom Russen besetzten Teil.

Architektonisch begeisterten mich die Gebäude. Das Fachwerk und die vielen Verzierungen, ob in den Säulen oder Decken oder in den schmiede eisernen Treppengeländern ließen viel Platz für Fantasie.

Wenn man nun ganz alleine in dem Objekt unterwegs ist, entwickelt sich eine ganz spezielle Aura. In den Zimmern blättert die Farbe von der Wand, dadurch bekommen so einige Zimmer etwas Unheimliches. Das Licht verstärkt dann noch den Eindruck. In den dunklen Kellerräumen hielt ich mich dann auch nicht allzu lange auf. Interessant waren die Dachböden. Dort gab es dann auch

einige Fundstücke zu bewundern. So bekam man Schuhe, Ballettschuhe, Flaschen und alte Möbelstücke zu sehen. Wie kamen diese Dinge hier her. Wem gehörten sie. Lebten die Personen noch? An was starben sie? Starben sie eines natürlichen Todes? Viele Fragen schossen durch den Kopf. Schließlich waren die Russen ja nicht zimperlich mit ihren Leuten. Je länger man durch die Gebäude schlich, um so russischer wurde das Ambiente. Auch die Farbgebung der Wände und Decken war hier von den Russen bestimmt. Diese Farbgebung findet man auch in Kasernen und Bunker der GUS- Streitkräfte. 

Gut das sie so den Fußboden nicht „umgestalteten“, denn dann wären diese wunderbaren Fliesen nicht mehr zu bewundern gewesen. Später auf einem Dachboden konnte man an den Stempeln der Dachsteine die Firma feststellen die diese Steine lieferten. Nach dem Googlen konnte man sich auch darüber einige Informationen verschaffen.

Für mich war das eine der interessantesten aber zugleich auch anstrengendsten Fototouren die ich bisher gemacht habe. Die Fantasie hat hier keine Grenzen. Man merkt aber die langen Wege in den Beinen. Die Zeit vergeht wie im Fluge. Wer diese Tour macht sollte sich keine Sonntagskleidung anziehen, man wird mit der Zeit recht schmuddelig. Ein Blitzlicht würde ich nicht empfehlen, damit macht man die Lichtstimmung kaputt. Unbedingt dabei haben sollte man ein Stativ und einen Fernauslöser. Ein Weitwinkel in meinem Fall war es das 10-20mm von Sigma und ein kleines Tele, hier hatte ich das Canon 28-135mm im Einsatz, sollten reichen.

Taschenlampe und Ersatz Akkus sollte in jedem Fall mit dabei sein. Ich kann diese Foto Tour mit bestem Gewissen weiterempfehlen und wie gesagt, wegen den o.g. Fehlern, werde ich diese Tour noch einmal machen.

Heilstätten Beelitz – Männersanatorium